Landwirtschaft vs. Renaturierung


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Landwirtschaft und Renaturierung: Widerspruch oder Zukunftschance?

landwirtschaft ein bild aus vergangenen tagen von heu manderl

Einleitung: In einer Welt, in der Klimawandel, Biodiversitätsverlust und Bodendegradation zu immer drängenderen Problemen werden, scheint die Forderung nach Renaturierung ein notwendiger Schritt. Gleichzeitig sind Landwirte gefordert, Nahrungsmittel für eine wachsende Weltbevölkerung zu produzieren. Ein scheinbarer Gegensatz? Nicht unbedingt. Dieser Artikel beleuchtet, wie Landwirtschaft und Renaturierung nicht nur koexistieren, sondern sich gegenseitig stärken können. Wir stellen Beispiele vor, analysieren innovative Lösungsansätze und zeigen Wege auf, wie beide Ziele vereint werden können.

1. Landwirtschaft und Renaturierung: Eine historische Betrachtung Früher war Landwirtschaft oftmals untrennbar mit natürlichen Ökosystemen verbunden. Weidewirtschaft in extensiven Systemen, Fruchtwechsel und kleinstrukturierte Landschaften prägten viele Regionen Europas. Erst mit der Industrialisierung der Landwirtschaft kam es zu massiven Eingriffen in Naturräume. Monokulturen, Entwässerung von Feuchtgebieten und Intensivierung zerstörten vielfach die Grundlage einer nachhaltig produktiven Landwirtschaft.

Heute steht die Branche an einem Wendepunkt: Kann sie ihre eigene Zukunft sichern, indem sie die Natur wieder stärker integriert?

2. Der Status quo: Konflikte und Chancen Renaturierungsprojekte stoßen in bäuerlich genutzten Regionen oft auf Skepsis. Verlust von Flächen, Eingriffe in Eigentumsrechte und kurzfristige wirtschaftliche Einbußen sind reale Sorgen.

Andererseits zeigen Studien, dass gesunde Ökosysteme langfristig Ertragssicherheit, Wasserrückhalt, Bodengesundheit und Klimaresilienz fördern können. Renaturierung kann somit als eine Art „Versicherung“ für die Landwirtschaft verstanden werden.

3. Beispiele für gelungene Verbindung von Landwirtschaft und Renaturierung

3.1 Agroforstwirtschaft in Frankreich und Spanien Agroforstsysteme kombinieren Ackerbau oder Tierhaltung mit Baumkulturen. In Frankreich hat sich das Projekt „Agroforesterie Française“ zum Ziel gesetzt, 200.000 Hektar agrarwirtschaftliche Fläche mit Bäumen aufzuwerten. Vorteile: bessere Bodenstruktur, höhere Biodiversität, zusätzliche Einkommensquellen durch Holz oder Früchte.

3.2 Extensive Beweidung in Deutschland Auf ehemaligen Truppenübungsplätzen und stillgelegten Flächen entstehen durch gezielte, extensive Beweidung mit robusten Rinderrassen oder Wildpferden artenreiche Offenlandschaften. Projekte wie das „Heidepflegeprojekt Lüneburger Heide“ zeigen, dass wirtschaftliche Nutzung und Artenschutz miteinander verbunden werden können.

3.3 Wiedervernässung von Mooren in Mecklenburg-Vorpommern Moore speichern enorme Mengen an CO2. Durch Wiedervernässung können ehemalige Moorstandorte renaturiert werden. Gleichzeitig entstehen neue Formen: Paludikultur, der Anbau von Schilf, Rohrkolben oder Torfmoosen, bietet Landwirten eine neue Einkommensquelle.

4. Innovative Lösungsansätze im Detail

4.1 Multifunktionale Landschaften gestalten Statt Flächen nur nach Produktivitätskriterien zu bewerten, geht es darum, multiple Ökosystemdienstleistungen zu integrieren: Lebensmittelproduktion, Wasserrückhalt, Biodiversität, Erholung. „Landsharing“ statt „Landgrabbing“ lautet die Devise.

4.2 Ökologische Vorrangflächen sinnvoll nutzen EU-Förderprogramme unterstützen Landwirte, die einen Teil ihrer Fläche aus der Produktion nehmen und für ökologische Zwecke bereitstellen. Statt öder Brachflächen könnten diese gezielt als Blühstreifen, Hecken oder Feuchtgebiete gestaltet werden.

4.3 Zertifizierungen und regionale Wertschöpfung Produkte aus renaturierten oder biodiversitätsfreundlichen Flächen könnten durch spezielle Labels ausgezeichnet werden (z.B. „MoorFutures“ für Paludikulturprodukte). Dies schafft neue Märkte und belohnt umweltfreundliches Wirtschaften.

4.4 Kooperatives Flächenmanagement Nicht jeder Betrieb muss alles alleine stemmen. Durch Kooperationen zwischen Landwirten, Gemeinden und Naturschutzorganisationen lassen sich großflächige Renaturierungsprojekte stemmen, die zugleich wirtschaftlich tragfähig sind.

5. Herausforderungen und blinde Flecken

  • Eigentumsfragen: Wer trägt das Risiko, wenn Renaturierung schiefgeht?
  • Zeitliche Dimensionen: Renaturierung braucht oft Jahrzehnte – wie lassen sich kurzfristige wirtschaftliche Bedürfnisse mit langfristigen Zielen vereinen?
  • Akzeptanz: Wie kann der Wert von Naturleistungen sichtbar und wirtschaftlich attraktiv gemacht werden?

6. Perspektiven: Landwirtschaft als Partner der Natur Langfristig wird Landwirtschaft nur überleben, wenn sie die natürlichen Grundlagen ihrer Produktion schützt und regeneriert. Dabei geht es nicht um eine romantische Rückkehr zur vorindustriellen Idylle, sondern um eine moderne, wissenschaftlich fundierte Integration von Naturschutz und Ökonomie.

Statt in Kategorien von „Entweder-Oder“ zu denken, braucht es ein „Sowohl-als-auch“. Renaturierung wird zur strategischen Ressource der Landwirtschaft – nicht zu ihrem Feind.

Schlusswort: Landwirtschaft und Renaturierung passen unter einen Hut – wenn wir bereit sind, diesen Hut neu zu weben. Es braucht Mut, Innovationsfreude und vor allem: die Bereitschaft, Natur nicht als Gegner, sondern als Partner zu verstehen. Die Zukunft liegt nicht im Rückzug der Landwirtschaft, sondern in ihrem bewussten Wandel.

Literatur und weiterführende Links:

  • „Agroforestry in Europe“ – EURAF
  • „Paludikultur: Landwirtschaft auf nassen Mooren“ – Greifswald Moor Centrum
  • „Extensive Weidenutzung und Biodiversität“ – Bundesamt für Naturschutz

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